Am 16.11. fand die jährliche Demokratiekonferenz der Partnerschaft für Demokratie Darmstadt im Prinz-Emil-Schlösschen in Darmstadt-Bessungen statt. Die Veranstaltung wurde mit einem Grußwort von Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch eröffnet. In diesem benannte er die vielen inneren und äußeren Herausforderungen, mit denen sich Demokratien auf der ganzen Welt konfrontiert sehen. Er rief dazu auf, sich für die offene Gesellschaft einzusetzen und Strategien gegen die Feinde der Demokratie zu entwickeln.
Den Eröffnungsvortrag zur Krise der Repräsentation und der autoritären Versuchung hielt Christian Stecker von der TU Darmstadt. Stecker stellte darin Daten vor, die sowohl die Zunahme autoritärer und antipluralistischer Positionen aufzeigen, als auch eine generell abnehmende Partizipation an demokratischen Verfahren. Moderne Partizipationsverfahren aus der Demokratieforschung wie Bürgerräte oder auch onlinegestützte Wahlhilfesysteme könnten möglicherweise einen Beitrag leisten, demokratische Ideen wieder fester in der Gesellschaft zu verankern. Stecker mahnte jedoch an, dass sich hierzu auch der politische Diskurs verändern müsse. Häufig tappe auch das demokratische und liberale Lager in die Falle, einen antipluralistischen Diskurs zu befeuern. Eigene Positionen würden oft als nicht verhandelbar aufgefasst, obwohl sie dem Empfinden der Bevölkerungsmehrheit entgegenliefen. In einem solchem Diskurs sei es allzu einfach, für autoritäre Akteure sich in populistischer Weise als vermeintliche Vertreter der Mehrheit zu präsentieren.
Marius Frenken von der Universität Mainz beleuchtete anschließend aus einer psychologischen Perspektive, welche individuellen Bedürfnisse befriedigt werden, wenn Menschen Verschwörungsmythen anhängen. Demnach sei häufig entscheidend, dass Verschwörungserzählungen kurzfristig helfen können, dem Gefühl eines Kontrollverlustes und individueller Verantwortung entgehen zu können. Hier finden sich Hinweise, dass die aktuelle Häufung von Verschwörungsglauben in Zusammenhang steht mit liberalen Diskursen, die politische und gesellschaftliche Probleme individualisieren. Verschwörungserzählungen würden demnach helfen dem Gefühl der individuellen Überforderung zu entkommen.
Im dritten Vortrag stellte Holger Marcks von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung Ergebnisse aus dem von ihm sowie seinem Koautoren Maik Fielitz verfassten Buch „Digitaler Faschismus – Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus“ vor. Zentrale Erkenntnisse sind: Rechte Akteure konnten schon früh die Mechanismen digitaler Kommunikation geschickt nutzen. Die grundlegende Struktur sozialer Netzwerke begünstige die verkürzte und sensationsheischende Kommunikation. Dies führe ebenso zu rechten Mobilisierungserfolgen, wie auch mangelnde Medienkompetenzen – vor allem älterer Bürger*innen. In der anschließenden Diskussion plädierte Marcks für einen allgemeinen Mentalitätswandel. Redaktionelles Arbeiten sollte wieder eine größere Wertschätzung erfahren. Impulsive und ungefilterte politische Kommunikation in Tweet-Länge sei demnach unabhängig von der politischen Stoßrichtung per se problematisch für eine demokratische (Streit-)Kultur.
In den Workshops nach der Mittagpause wurde es dann praktisch. Oliver Koch, vom Zentrum Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, berichtete aus seiner Praxis als Berater von Menschen, die in ihrem engen sozialen Umfeld mit Verschwörungsglauben konfrontiert sind. Für einen persönlichen Umgang mit Verschwörungsgläubigen gebe es keine Faustregel. Allgemein sei jedoch wichtig, die individuelle Beziehungsebene und soziale Aspekte mindestens ebenso zu thematisieren wie inhaltliche Punkte. Strategien, die ausschließlich darauf ausgerichtet sind, Verschwörungsgläubige von der ‚Wahrheit‘ zu überzeugen gingen oft am Ziel vorbei. Um produktiv intervenieren zu können, sei auch wichtig zu verstehen, warum sich eine Person vom etablierten gesellschaftlichen Diskurs abwendet.
Im parallel stattfindenden Workshop von Peter Holnick vom Institut für Medienpädagogik und Kommunikation wurde das Thema Medienkompetenz und social media behandelt. Der Referent zeigte auf, welche Gefahren die neuen Medien insbesondere für junge Menschen beinhalten, warum ein frühzeitiger Umgang mit Medien für Kinder und Jugendliche wichtig ist und wie dieser gelingen kann.
Insgesamt zeigte die Veranstaltung, die von einer durchgehend engagierten Teilnahme des Publikums geprägt war, die vielen Handlungsspielräume auf, um sich trotz aller negativen Nachrichten für die offene Gesellschaft einzusetzen. Neben einer klaren Haltung gegenüber den Gegnern der Demokratie zählt dazu die Offenheit für die Verunsicherten ebenso wie die Reflektion und Öffnung der eigenen politischen Position.